Typ-1-Diabetes: Nach Corona-Infektion bilden Kleinkinder häufiger Inselautoantikörper
In der Studie POInT wurde der Zusammenhang zwischen einer Corona-Infektion und dem Auftreten von Inselautoantikörpern untersucht. Liefern die Ergebnisse einen Ansatz zur Prävention von Typ-1-Diabetes?
(Dresden, 11.9.2023) - Die genauen Ursachen der Autoimmunreaktionen, die einem Typ-1-Diabetes zugrunde liegen, sind noch unklar. Virusinfektionen werden bei Kleinkindern häufig als entscheidende Umweltfaktoren für die Entstehung von Typ-1-Diabetes angesehen, erinnert die Technische Universität Dresden.
Ein internationales Forschungsteam der Globalen Plattform für die Prävention des Autoimmunen Diabetes (GPPAD) habe nun in der Studie POInT einen neuen Zusammenhang zwischen der Entstehung von Typ-1-Diabetes und dem SARS-CoV-2 Virus gefunden (JAMA 2023; online 8. September).
Daten von 885 Kindern analysiert
Autoantikörper, die sich gegen die Inselzellen des Pankreas richten, gelten bekannterweise als erste Anzeichen für Typ-1-Diabetes. Das Forschungsteam untersuchte 885 Kinder im Alter von 4 bis 24 Monaten auf Inselautoantikörper und SARS-CoV-2-Antikörper in Abständen von zwei bis sechs Monaten.
170 Kinder, also fast 20 Prozent, entwickelten während der Pandemie Antikörper gegen SARS-CoV-2, was darauf hindeutet, dass sie mit dem Virus infiziert waren. In dieser Gruppe war der Anteil von Kindern, die zusätzlich Inselautoantikörper entwickelten, doppelt so groß wie in der Gruppe der Kinder ohne SARS-CoV-2-Infektion, fasst die TU Dresden wichtige Ergebnisse der Studie zusammen.
POInT (Primary Oral Insulin Trial) wird in Deutschland, Polen, Schweden, Belgien und Großbritannien durchgeführt, geleitet von Professorin Anette-Gabriele Ziegler vom Helmholtz Munich Institut für Diabetesforschung und der Technischen Universität München (TUM). An POInT nehmen Kinder teil, die ein um zehn Prozent erhöhtes genetisches Risiko für die Entwicklung von Inselautoantikörpern haben. Die Kinder wurden zwischen 2018 und 2021 in die Studie aufgenommen.
„Der zeitliche Zusammenhang ist verblüffend“
„Der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Inselautoantikörpern und der SARS-CoV-2-Infektion bei diesen Kindern ist verblüffend. Das bedeutendste Ergebnis ist jedoch, dass das Risiko, Inselautoantikörper zu entwickeln, bei den Kindern am höchsten war, die vor dem 19. Lebensmonat und insbesondere im Alter von einem Jahr mit SARS-CoV-2 infiziert waren“, wird Professor Ezio Bonifacio, Forschungsgruppenleiter am CRTD und Hauptautor der Studie zitiert. „Diese Kinder hatten ein etwa fünf- bis zehnfach erhöhtes Risiko, Inselautoantikörper zu entwickeln. Das ist also ein kritisches Alter für Kinder mit einem erhöhten genetischen Risiko für Typ-1-Diabetes und Voraussetzung dafür, dass wir diesen Zusammenhang beobachten können.“
Auch frühere Studien hätten einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Typ-1-Diabetes und einer COVID-19-Diagnose festgestellt, so die TU Dresden in ihrer Mitteilung. Dies sei jedoch die erste Studie, die eine Verbindung zwischen einer SARS-CoV-2-Infektion und dem Beginn der Inselautoimmunität herstellt.
Wichtig sei, dass es zwar einen klaren zeitlichen Zusammenhang zwischen der SARS-CoV-2-Infektion und der Entwicklung von Inselautoantikörpern gab, jedoch entwickelten auch ohne COVID-19 viele Kinder Inselautoantikörper.
Ein Weg zur Prävention des Typ-1-Diabetes?
Obwohl der genaue Mechanismus hinter dem erhöhten Risiko für Inselautoimmunität bei Kleinkindern nicht bekannt ist, könnten die Ergebnisse dazu beitragen, Wege zur Prävention von Typ-1-Diabetes zu finden.
„Wir haben einen Impfstoff gegen SARS-CoV-2 zur Verfügung. Damit drängt die Frage, ob eine Impfung gegen Viren, die mit Inselzellautoimmunität assoziiert sind, ein neuer Weg zur Prävention von Typ-1-Diabetes sein könnte. Zumindest einige Fälle von Typ-1-Diabetes könnten so womöglich verhindert werden,“ wird Anette-Gabriele Ziegler zitiert. „Typ-1-Diabetes ist eine lebenslange Krankheit, von der weltweit Millionen Kinder und Erwachsene betroffen sind. Wir sind davon überzeugt, dass die Investition in frühe Präventionsstrategien, wie sie von GPPAD erprobt werden, unerlässlich ist, um die steigende Inzidenz dieser Krankheit bei Kindern einzudämmen.“
Globale Plattform zur Prävention des Autoimmunen Diabetes
Die Globale Plattform zur Prävention des Autoimmunen Diabetes (GPPAD) ist ein Konsortium mehrerer europäischer Forschungseinrichtungen in Belgien, Deutschland, Polen, Schweden und Großbritannien. Gemeinsam führen die Forschenden Studien zur Primärprävention von Typ-1-Diabetes durch. Sie identifizieren Kinder, die ein erhöhtes genetisches Risiko für die Entwicklung von Typ-1-Diabetes haben und bieten den Familien die Teilnahme an Präventionsstudien, wie POInT und SINT1A an. Die POInT-Studie hat das Ziel, das Immunsystem durch die orale Verabreichung von Insulinpulver zu trainieren und somit Typ-1-Diabetes zu verhindern. Die Koordination von GPPAD erfolgt am Helmholtz Munich unter der Leitung von Anette-Gabriele Ziegler.