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Sex, Impfung & Corona

In Frankreich werden Impfmuffel mit erotischen Botschaften zum „Stich“ animiert. Aber bedeutet eine Vollimmunisierung tatsächlich grenzenloses sexuelles Vergnügen?

Von Gabriele Kuhn*

In Frankreich werden Impfmuffel mit erotischen Botschaften zum „Stich“ animiert. Aber bedeutet eine Vollimmunisierung tatsächlich grenzenloses sexuelles Vergnügen?

Was die Pandemie auch bedeutete: Karge Zeiten für Singles und Freunde des gelegentlichen One-Night-Stands. Zwar zählt das neuartige Coronavirus nicht zu den sexuell übertragbaren Erregern, aber die Nähe, der Atem, das Küssen und die böse Schmierinfektion! Gegen Aerosole nützt kein Kondom, außer eines, das man sich über den ganzen Körper zieht. Eher unlustig.

Aber jetzt: die Impfung! Endlich wieder spontane Freuden. Wobei so manche Verschwörungstheoretiker auch hier ein Veto einlegen, in den sozialen Medien kursieren absurde Posts mit folgendem Text: „Wenn Ihr leben wollt: Kein Sex mit Geimpften.“ Die Behauptung: Die durch die Covid-19-Vakzine entstandenen Spikeproteine würden von Mensch zu Mensch übertragen werden. Im APA-Faktencheck heißt es dazu: „Eine Übertragung des Impfstoffs durch Geimpfte an Ungeimpfte ist nicht möglich. Eine Stelle in einer Pfizer-Studie wird missinterpretiert.“ Laut Infektiologen können inaktivierte Impfstoffe nicht auf andere übertragen werden.

Daher: Impfung und dann Gönnung! Endlich wieder in den Armen einer neuen Bekanntschaft, einer Fremden liegen, sich einlassen, mit Haut und Haar, spontan sein. Experimentieren, spüren, den Augenblick genießen.  Wie schön. Und genau mit dieser saftigen Vorstellung möchte die französische Regierung Impfunwillige ködern, nach dem bewährten Motto: Sex sells. Leichtigkeit statt erhobener Zeigefinger: Dabei werden zwei junge, sehr attraktive Menschen im Rahmen der Impfkampagne ins Bild gerückt, die sich gierig küssen, darunter steht: „Ja, der Impfstoff kann erwünschte Nebenwirkungen haben.“ Her damit. Animierend, wie auch manche Ärzte in Deutschland finden und sich eine kreativere Impfkampagne fürs Land wünschen: Kreativität und Humor sei gefragt.  Selbst die konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung titelte dazu: „Make love, not bore“ und stellt die Frage, wie Impfmüde und Impfmuffel für den kleinen Pieks begeistert werden können und ob irgendwas mit Sex müde Muffel munter machen würde.

Apropos: Kann man sich am Abend nach dem zweiten Stich sofort in den genitalen Clinch mit einem Aufriss begeben? Nein. Die Zweitimpfung bedeutet keinen Ad-hoc-Komplett-Impfschutz, da braucht’s noch ein wenig Geduld. Wie heißt’s so schön: Vorfreude ist die schönste Freude. Als tatsächlich „vollständig“ geimpft gilt man zwei Wochen nach der zweiten Impfung mit Pfizer/Biontech, Moderna oder Astra Zeneca und ebenfalls zwei Wochen nach der Einmal-Impfung mit Johnson & Johnson. Aber dann – ist alles möglich. Langsam, langsam: Sie müssen sich ja nicht gleich in die nächste Gruppensex-Orgie stürzen.

*Gabriele Kuhn ist seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressortleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin der Lebensart. Seit 2017 Autorin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Und damit's nicht fad wird, schreibt sie seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox - Szenen einer Redaktionsehe" gemeinsam mit ihrem Mann Michael Hufnagl, ebenfalls Journalist. Außerdem: Autorin dreier Bücher.

Für Diabetes Austria schreibt sie Kolumnen rund ums Thema Liebe, Sex und Diabetes.