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Diabetologen und Kardiologen streiten: Bei Typ-2-Diabetes immer mit Metformin starten?

GLP-1-Agonisten und SGLT2-Hemmer schützen Herz und Nieren und sollten auch First-line einsetzbar sein, meinen Kardiologen. Diabetologen halten dagegen: Metformin sollte primärer Standard bleiben.

(Wiesbaden, 4.5.2022) - Bisher galt die Empfehlung: Beim Typ-2-Diabetes sollte die medikamentöse Therapie immer mit Metformin gestartet werden. Doch gilt das auch noch im Zeitalter innovativer Substanzen, die das kardiovaskuläre und renale Outcome verbessern?

„Diese Frage hat leidenschaftliche Diskussionen ausgelöst, ja an diesem Thema sollen schon Freundschaften zwischen Kardiologen und Diabetologen zerbrochen sein“, erläuterte Professor Nikolaus Marx, Direktor der kardiologischen Universitätsklinik Aachen, im Rahmen des diesjährigen Internistenkongresses (DGIM).

Neue Substanzen reduzieren kardiale und renale Risiken

Die Empfehlung von Metformin als First-Line-Therapie basiert auf den Daten der UKPD-Studie, mit der erstmals ein kardioprotektiver Effekt für ein orales Antidiabetikum nachgewiesen werden konnte. Dieses Alleinstellungsmerkmal behielt Metformin über viele Jahrzehnte bis mit den GLP-1-Rezeptoragonisten und den SGLT2-Inhibitoren zwei neue antidiabetischen Mitspieler auf den Plan getreten sind.

Für Substanzen dieser Wirkstoffgruppen konnte in entsprechenden Studien eine Verbesserung des kardialen und renalen Outcomes dokumentiert werden. Deshalb sollten alle Diabetiker mit einem erhöhten kardialen oder renalen Risiko heute eine dieser beiden Substanzen erhalten. Dies wird auch in allen aktualisierten Leitlinien so empfohlen.

Die Sicht des Diabetologen

„Trotz dieser Daten sollte Metformin weiterhin der primäre Standard bleiben und dies wird auch in den Leitlinien aller Diabetischen Fachgesellschaften so empfohlen“, so Professor Baptist Gallwitz von der Universitätsklinik für Endokrinologie in Tübingen. Nur die Leitlinie der Europäischen Kardiologengesellschaft (ESC) sehe dies anders. „Die Datenlage für Metformin ist gut“, so Gallwitz.

Für die neuen Substanzen gebe es derzeit noch keine ausreichende Datenlage für einen First-line-Einsatz als Monotherapie. In den kardiovaskulären Outcome-Studien seien SGLT2-Inhibitoren und GLP-1-Agonisten als add-on zu Metformin eingesetzt worden. Auch werden beim Metformin pleiotrope Effekte diskutiert wie günstige Effekte auf das Mikrobiom und eine antikanzerogene Wirkung.

Die Sicht der Kardiologen

Bei der Bewertung von Metformin müsse man bedenken, so Marx, dass in der UKPD-Studie die kardioprotektive Wirkung nur bei einer kleinen Subgruppe von adipösen, neu diagnostizierten Diabetikern ohne KHK belegt wurde. Auch zeigte sich in den Outcome-Studien mit GLP-1-Rezeptoragonisten und SGL2-Inhibitoren im Hinblick auf den Benefit kein Unterschied, ob zusätzlich Metformin gegeben wurde oder nicht. Auch senkt Metformin den Vitamin-B-12-Spiegel und ist bei einer GFR <30 ml/min kontraindiziert. „Bei Patienten mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko empfiehlt die ESC-Leitlinie eine dieser neuen Substanzen auch ohne Metformin in der First-line“, so Marx. Als generelle Erstlinientherapie habe Metformin ausgedient.

Nach einer aktuellen Erhebung im Rahmen der CAPTURE-Studie erhalten zur Zeit aber nur 8,6 Prozent aller Typ-2-Diabetiker einen GLP-1-Rezeptoragonisten und nur 15 Prozent einen SGLT2-Inhibitor, bei Patienten mit einer bekannten KHK sind es auch nur 8,3 Prozent und 15,1 Prozent. „Angesichts dieser Unterversorgung ist das Thema Metformin kein vorrangiges, vielmehr sollten wir dafür sorgen, dass die innovativen Substanzen die Patienten erreichen, die davon profitieren“, so Marx.

Quelle: https://www.aerztezeitung.de/